Einzigartige Kirschen in einzigartiger Landschaft | OWZ zum Sonntag

Veröffentlicht am 08.05.2024 09:52, aktualisiert am 08.05.2024 13:41

Einzigartige Kirschen in einzigartiger Landschaft

Vera Kühlmann, Manfred Böker und Michael Buschmann präsentieren im Sortengarten Golmbach das aktuelle Gutachten zu den regional eigenständigen Sorten (Foto: Peter Drews/Landkreis Holzminden)
Vera Kühlmann, Manfred Böker und Michael Buschmann präsentieren im Sortengarten Golmbach das aktuelle Gutachten zu den regional eigenständigen Sorten (Foto: Peter Drews/Landkreis Holzminden)
Vera Kühlmann, Manfred Böker und Michael Buschmann präsentieren im Sortengarten Golmbach das aktuelle Gutachten zu den regional eigenständigen Sorten (Foto: Peter Drews/Landkreis Holzminden)
Vera Kühlmann, Manfred Böker und Michael Buschmann präsentieren im Sortengarten Golmbach das aktuelle Gutachten zu den regional eigenständigen Sorten (Foto: Peter Drews/Landkreis Holzminden)
Vera Kühlmann, Manfred Böker und Michael Buschmann präsentieren im Sortengarten Golmbach das aktuelle Gutachten zu den regional eigenständigen Sorten (Foto: Peter Drews/Landkreis Holzminden)

Im Weserbergland ist gut Kirschen essen. Und zwar sowohl, was die hohe Anzahl verschiedener Kirschsorten betrifft als auch in Bezug auf die Einzigartigkeit der hier wachsenden, vorwiegend roten Steinfrüchte. Das hat eine wissenschaftliche Analyse ergeben, die die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Holzminden in Auftrag gegeben hat. Gleich neun Sorten sind so einzigartig, dass sie ausschließlich hier anzufinden sind. „Burgberger Rotbunte“, die „Lobacher Blankette“ oder die „Holenberger Bernsteinkirsche“, so einige der Sorten, gedeihen nur im Landkreis Holzminden und sonst nirgendwo auf diesem Planeten.

Angeregt durch vergleichbare Untersuchungen im Mittelrheintal hatte die Untere Naturschutzbehörde in den Jahren 2013 bis 2015 alle bekannten und zugänglichen Süßkirchenbestände im Landkreis Holzminden erfassen und die Sorten bestimmen lassen. Die auf wissenschaftlicher Grundlage vorgenommenen Untersuchungen wurden von der deutschlandweit anerkannten Kirschenexpertin Dr. Annette Braun-Lüllemann durchgeführt. 64 verschiedene Süßkirschensorten konnten so bestimmt werden. Galt das Anbaugebiet rund um Vogler und Burgberg verglichen mit berühmten Kirschgegenden, wie dem Maingebiet, Witzenhausen oder dem Mittelrheintal bisher eher als unbedeutend, so ändert die große Sortenvielfalt eine solche Wahrnehmung fundamental. „So viele alte Kirschensorten zeichnen den Landkreis als ein herausragendes Anbaugebiet aus“, stellt Michael Buschmann von der Unteren Naturschutzbehörde nicht ohne Stolz fest. Dabei sei nicht nur die hohe Sortenzahl, sondern auch die Seltenheit eines Großteils der Sorten bemerkenswert.

Buschmann ist Initiator und Mitstreiter eines Kirschenprojektes, das am Vogler seit über zehn Jahren existiert. 2014 wurden erste Sortensicherungsmaßnahmen eingeleitet, in dem von den seltenen und eigenständigen Sorten Reiser geschnitten und zur Veredelung an eine Spezialbaumschule gegeben wurden. In den darauffolgenden Jahren dann wurden die angezogenen Jungbäume in einem sogenannten Sortenerhaltungsgarten bei Golmbach aufgepflanzt und gepflegt. Der Sortenerhaltungsgarten ist Teil einer alten Obstplantage der Golmbacher Familie Böker, die den Kirschanbau schon seit mehreren Generationen engagiert betreibt und die Flächen für den Sortenerhalt kostenfrei zur Verfügung gestellt hat. In dem öffentlich zugänglichen Sortengarten können alle bislang im Landkreis Holzminden erfassten Sorten besichtigt werden. Besonders zur Kirschblüte bietet sich dort ein atemberaubendes Landschaftsbild.

Über 80 Prozent der erfassten Sorten, deren Namen bewusst an ihren Herkunftsort erinnern sollen, müssen generell als gefährdet eingestuft werden. „Allein neun der erfassten Sorten kommen nach dem derzeitigen Kenntnisstand in Deutschland nur im Landkreis Holzminden vor“, so Michael Buschmann. Das habe jüngst eine molekulargenetische Untersuchung ergeben, die ebenfalls im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde vorgenommen wurde. Für die eigenständigen Sorten und die sonstigen vom Aussterben bedrohten Sorten trage der Landkreis Holzminden eine große Verantwortung, so Buschmann. Die eigenständigen Sorten existierten nur noch in Form weniger Altbäume. Von der „Golmbacher Späte Rotbunte“ etwa gibt es nur noch drei Bäume auf eine Obstbaumwiese in der Rühler Schweiz, die Sorte „Holenberger Bernsteinkirsche“ wurde gar auf einem einzigen Baum auf dem Weinberg Holenberg gefunden.

Damit die regional eigenständigen Sorten als Teil der genetischen Vielfalt für die zukünftigen Generationen erhalten bleiben, sollen diese in den kommenden Jahren vermehrt und an möglichst vielen Stellen im Landkreis gepflanzt werden. Finanziert wurde und wird das Projekt durch die niedersächsische Bingostiftung, die Naturschutzstiftung des Landkreises Holzminden und aus Mitteln der Naturschutzverwaltung. Das Kirschenteam um Michael Buschmann, Manfred Böker und Dr. Annette Braun-Lüllemann hat seit diesem Jahr auch noch durch Vera Kühlmann von der Ökologischen Station Solling-Vogler Verstärkung Unterstützung bekommen, die das Team bei der wissenschaftlichen Begleitung tatkräftig unterstützen wird. An dem Thema interessierte Personen können sich an Michael Buschmann von der Naturschutzverwaltung des Landkreises Holzminden wenden. Kontakt: Tel. 0 55 31-707-225 oder naturschutz@landkreis-holzminden.de.

Unter der Leitung von Vera Kühlmann findet am Donnerstag, dem 13. Juni, ab 17 Uhr eine Wanderung über die Golmbacher Streuobstwiesen statt, bei der ebenfalls Wissenswertes über die alten Kirschsorten in Erfahrung gebracht werden kann. Der Treffpunkt für die circa zweistündige Wanderung kann unter 0 55 31 – 94 87 540 erfragt werden.

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